Problemstellung, Allgemeines
Die derzeitige Krisensituation in Österreich aufgrund der COVID-19-Pandemie und die damit zusammenhängenden staatlichen Maßnahmen haben bei Unternehmen jeder Größenordnung bereits weitreichende wirtschaftliche Spuren hinterlassen – trotz der beschlossenen staatlichen Hilfsmaßnahmen.
In dieser Situation müssen Geschäftsleiter, wie insbesondere Geschäftsführer und Vorstände aber auch zum Beispiel alle Einzelunternehmer, rasch handeln. Dabei sind neben betriebswirtschaftlichen Maßnahmen vor allem auch rechtliche Aspekte im Auge zu behalten, damit COVID-19 nicht auch zu einer persönlichen Haftungsfalle wird.
Allgemeine Pflichten der Geschäftsleitung in Zeiten der „Corona-Krise“
Die Geschäftsleitung ist zunächst wie immer verpflichtet, die aktuelle und erwartete Geschäftsentwicklung im Auge zu behalten. Dabei geht es im Moment vor allem darum, so viele Informationen wie möglich betreffend die äußeren wirtschaftlichen und rechtlichen Einflüsse auf das Unternehmen einzuholen. Dies kann derzeit insbesondere durch Medienberichte, Informationen der Wirtschaftskammer oder der Behörden aber auch durch externe Rechtsberater geschehen. Nur so können die aktuelle Lage des Unternehmens und mögliche Risiken in den nächsten Wochen bestmöglich eingeschätzt werden. Die Einholung ausreichender Information ist einer der entscheidenden Faktoren zur Vermeidung persönlicher Haftungen. Dies gilt es auch entsprechend zu dokumentieren.
Auch alle unternehmensinternen Vorgänge müssen derzeit im Detail evaluiert werden. Die Geschäftsleitung ist daher verpflichtet, die aktuelle und zukünftige Geschäftsentwicklung genau zu beobachten. Dazu gehört einerseits die laufende Überwachung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens aber auch die Überwachung der Überschuldung und allenfalls die Erstellung einer Fortbestehensprognose. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung aufgrund der aktuellen Situation hinter den eigentlich geplanten Geschäftszahlen zurückbleibt, muss reagiert werden und die bisherige Planung entsprechend angepasst werden.
Praxistipp: Wir empfehlen genau zu dokumentieren, welche Entscheidungsgrundlagen Ihnen zu welchem Zeitpunkt zur Verfügung stehen und welche Maßnahmen Sie aufgrund dieser Informationslage getroffen haben, um auf diese Weise persönliche Haftungen zu vermeiden.
Aus wichtigem Anlass, insbesondere, wenn Umstände eintreten, die für die Rentabilität oder die Liquidität des Unternehmens von erheblicher Bedeutung sind, sind auch Informationspflichten an andere Gesellschaftsorgane (z.B. Aufsichtsrat) zu beachten. Unter Umständen ist auch eine Gesellschafterversammlung einzuberufen. Beispielhaft ist hier der Fall zu erwähnen, dass die Hälfte des Stammkapitals aufgebraucht ist oder wenn es das Interesse der Gesellschaft aus sonstigen Gründen erfordert.
Insolvenzantragspflicht in der „Corona-Krise“
Bricht der Umsatz, wie dies derzeit in vielen Branchen der Fall ist ein, kann dies schnell zu einem Liquiditätsengpass führen. Geschäftsleiter sind auch in der derzeitigen Lage verpflichtet, bei Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen.
a) Insolvenzeröffnungsgründe
Zahlungsunfähig ist, wer „mangels bereiter Zahlungsmittel nicht in der Lage ist, alle seine fälligen Schulden zu bezahlen und sich die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich auch nicht alsbald verschaffen kann“. Entscheidend ist somit, ob die verfügbare Liquidität zur Abdeckung der fälligen Verbindlichkeiten ausreicht. Kann ein Unternehmen mehr als 5% seiner fälligen Schulden nicht begleichen, ist nach der Rechtsprechung Zahlungsunfähigkeit zu vermuten.
Nicht erfasst sind bloße Zahlungsstockungen. Eine solche liegt vor, wenn mit der Wiederherstellung der Liquidität eines Unternehmens innerhalb einer angemessenen Frist gerechnet werden kann. Hier kann etwa die Aussicht auf Kreditgewährung, der Abschluss von Zahlungsvereinbarungen oder eben auch eine bereits gesicherte Zusage staatlicher Hilfsmaßnahmen für das konkrete Unternehmen erwähnt werden. Die Beurteilung, ob eine Zahlungsstockung oder Zahlungsunfähigkeit vorliegt kann allerdings nur im Einzelfall erfolgen.
Der Insolvenzeröffnungsgrund der Überschuldung liegt vor, wenn die Schulden des Unternehmens größer sind als die Vermögenswerte, also die Passiva die Aktiva übersteigen und keine positive sogenannte „Fortbestehensprognose“ erstellt werden kann.
In § 733 Abs 3 ASVG wurde nunmehr anlässlich der aktuellen Krise festgelegt, dass in den Monaten März, April und Mai 2020 keine Insolvenzanträge nach der Insolvenzordnung wegen der Nichtentrichtung bereits fälliger Sozialversicherungsbeiträge gestellt werden können. Erfahrungsgemäß schafft dies etwas Erleichterung, da in der Vergangenheit eine Vielzahl von Insolvenzen aufgrund von Anträgen der Sozialversicherungsträger eingeleitet wurden.
Zudem wurde am 03.04.2020 im Nationalrat ein Gesetz beschlossen, wonach für den Fall, dass vom 01.03.2020 bis zum 30.06.2020 eine insolvenzrechtliche Überschuldung eintreten sollte, für diesen Zeitraum ausnahmsweise keine Insolvenzantragspflicht besteht, soweit die Zahlungsfähigkeit weiterhin gegeben ist. Auch Gläubiger können während dieser Zeit keinen Insolvenzantrag wegen Überschuldung stellen.
b) Frist zur Stellung des Insolvenzantrages
Im Hinblick auf die wegen der COVID-19-Epidemie unvorhersehbaren wirtschaftlichen Entwicklung beträgt die – ansonsten 60-tägige Frist zur Stellung eines Insolvenzantrags – nunmehr 120 Tage. Dies hat das 2. COVID-19-Gesetz (BGBl I 16/2020) mittlerweile klargestellt. So soll sichergestellt sein, dass Unternehmen deutlich mehr Zeit zur Verfügung steht, um beurteilen zu können, wie die Krise im jeweiligen Unternehmen überwunden werden kann. Dies hängt für viele Unternehmen nämlich auch davon ab, inwieweit diese mit staatlichen Unterstützungsmaßnahmen rechnen können, was derzeit vielfach noch unklar ist.
Zu beachten ist, dass innerhalb der Insolvenzeröffnungsfrist jedenfalls Sanierungsmaßnahmen gesetzt werden müssen. Darüber hinaus gilt die „120-Tage-Frist“ nur dann, wenn die Zahlungsunfähigkeit tatsächlich durch die „Corona-Krise“ ausgelöst wurde. Außerdem möchten wir darauf hinweisen, dass diese Fristverlängerung nur den Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens betrifft. Weiterhin unverändert möglich bleiben Insolvenzanträge von Gläubigern.
Praxistipp: Auch hier sollte entsprechend dokumentiert werden, aus welchen Gründen (z.B. Betriebsschließung oder Ausfall von Lieferanten) es zur Zahlungsunfähigkeit kam, um nachweisen zu können, dass diese auch tatsächlich durch die Corona-Krise verursacht wurde.
c) Wer muss den Insolvenzantrag stellen?
Die Pflicht zur Antragstellung trifft Einzelunternehmer oder auch unbeschränkt haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft (z.B. Gesellschafter einer OG, Komplementäre einer KG). Bei allen anderen juristischen Personen (z.B. GmbH, AG, Privatstiftungen) trifft die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzeröffnungsantrags die jeweiligen organschaftlichen Vertreter (Geschäftsführer, Vorstand).
Eine Verletzung der Insolvenzantragspflicht – also eine sogenannte „Insolvenzverschleppung“ – kann für die Verantwortlichen gravierende (persönliche) haftungs- sowie strafrechtliche Folgen haben.
Welche staatlichen Maßnahmen zur Liquiditätssicherung stehen derzeit für Unternehmen zur Verfügung?
Um die Liquidität österreichischer Unternehmen während der „Corona-Krise“ zu sichern, wurden bisher zahlreiche staatliche Maßnahmen umgesetzt. Mit dem 1. Covid-19 Gesetz hat die Bundesregierung ein Soforthilfepaket in Höhe von EUR 4 Milliarden für die österreichische Wirtschaft beschlossen, um dieses wenig später um ein weiteres Maßnahmenpaket zu erweitern.
Die drei „Säulen“ des zweiten Maßnahmenpakets bestehen im Wesentlichen aus Steuerbegünstigungen (Stundungen und Steuerreduktionen) im Ausmaß von rund EUR 10 Mrd., Umsatzkompensation für besonders hart betroffene Unternehmen im Ausmaß von EUR 15 Mrd., sowie Garantien und Haftungen zur Kreditabsicherung im Ausmaß von rund EUR 9 Mrd.
Besonders hinweisen möchten wir in diesem Zusammenhang auf den sogenannten „Härtefallfonds“, der die Schaffung eines Sicherheitsnetzes für Härtefälle bei Ein-Personen-Unternehmen, freien Dienstnehmern, Non-Profit Organisationen sowie Kleinstunternehmern zum Ziel hat. Bisher stehen in diesem Fonds etwa EUR 2 Mrd. als Soforthilfen bereit, die von der Wirtschaftskammer ausgezahlt werden.
Da für alle diese Hilfen in erster Linie die Wirtschaftskammer zuständig ist, empfehlen wir sich regelmäßig über die Website der WKO (https://www.wko.at) informiert zu halten, da bis dato viele (organisatorische) Details unklar sind und fast tagtäglich Änderungen hinsichtlich dieser Hilfsmaßnahmen eintreten. Nach unserem Informationsstand hat die WKO am 27. März 2020 bereits eine IT-Lösung bereitgestellt, wo die betroffenen Betriebe rasch ihre Anträge einbringen können. Danach soll es möglichst einfach und schnell zur Auszahlung der ersten Tranche der Förderbeträge kommen. Insgesamt sollen so (vorerst) bis zu EUR 6.000 an jeden betroffenen Betrieb, der die Richtlinien erfüllt, ausgezahlt werden.
Unsere Empfehlungen in der aktuellen Situation
Wichtig ist, dass Geschäftsleiter bei ihrer Geschäftsführung – wie gesetzlich vorgesehen – die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes einhalten. Dabei ist ein ganz besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass alle Entscheidungen auf Basis umfassender Information und nicht überhastet getroffen werden. Wir empfehlen genau zu dokumentieren, welche Entscheidungsgrundlagen Ihnen zu welchem Zeitpunkt zur Verfügung stehen und welche Maßnahmen Sie aufgrund dieser Informationslage getroffen haben, um auf diese Weise persönliche Haftungen zu vermeiden.
Die Liquiditätsplanung muss zwangsläufig laufend angepasst werden, da bei Kunden Zahlungsausfälle zu erwarten sind, Fixkosten aber großteils weiterhin anfallen. Die Liquiditätssituation und die voraussichtliche Liquiditätsentwicklung sind zu überwachen. Wenn dies notwendig wird, sind geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität zu ergreifen, wobei insbesondere zu prüfen ist, welche staatlichen Hilfen beantragt werden können. Wichtig ist zu betonen, dass die Geschäftsleitung erst auf verbindliche Zusagen vertrauen darf. Eine erfolgte Antragstellung reicht hierfür nicht aus, zumal auf die staatlichen Hilfsmaßnahmen grundsätzlich kein Rechtsanspruch besteht. Wir empfehlen Ihnen, möglichst rasch einen Antrag zu stellen, um möglichst bald eine verbindliche Zusage erlangen zu können.
Bei Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist zwingend die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen. Hinsichtlich des Insolvenzeröffnungsgrundes der Überschuldung wurde allerdings nunmehr ein Gesetz verabschiedet, wonach dies vorübergehend dann nicht gilt, wenn die Überschuldung im Zeitraum von 01.03.2020 bis zum 30.06.2020 einritt. Ab dem Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist es Geschäftsführern grundsätzlich verboten, Zahlungen zu leisten. Darunter fallen neben reinen Geldzahlungen auch andere Formen der Befriedigung wie etwa Warenlieferungen oder das nachträgliche Besichern von bestehenden Verbindlichkeiten.
Besondere Vorsicht ist derzeit auch bei Zahlungen an Gesellschafter einer GmbH geboten, da diese einen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr darstellen können, für den etwa Geschäftsführer persönlich haften.
Um die Zahlungsunfähigkeit in den nächsten Wochen aufgrund der „Corona-Krise“ zu verhindern und die Liquidität zu erhöhen, empfehlen wir unseren Klientinnen und Klienten regelmäßig insbesondere nachfolgende Maßnahmen:
• Schließen Sie Zahlungs- bzw. Stundungsvereinbarungen über bereits fällige Verbindlichkeiten ab (zu denken wäre etwa an eine Steuerstundung beim Finanzamt oder das vorübergehende Aussetzen von Kreditrückzahlungsraten gegenüber Banken);
• Machen Sie gegenüber Ihrem Vermieter eine Mietzinsminderung für Geschäftsraummieten geltend, um so die Liquidität zu erhöhen; (näheres dazu finden Sie in unserem Beitrag „Covid-19: Auswirkungen auf Miet- und Pachtverträge“)
• Informieren Sie sich über staatliche Hilfsmaßnahmen wie den sogenannten „Härtefallfonds“ und nutzen Sie das Instrument der „Kurzarbeit“ um Lohnkosten einzusparen; wir empfehlen die diesbezüglichen Anträge ehestmöglich zu stellen;
• Prüfen Sie die Werthaltigkeit und Durchsetzbarkeit vertraglich vorgesehener Sicherungen;
• Suchen Sie generell das Gespräch mit Ihren Kunden und Lieferanten und kündigen Sie Verträge nicht voreilig;
Hinweis:
Dieser Beitrag stellt lediglich eine allgemeine Information dar und ersetzt keine Rechtsberatung. Wir haben diesen Beitrag gründlich recherchiert und unter Einhaltung größtmöglicher Sorgfalt erstellt, übernehmen allerdings keinerlei Haftung für dessen Inhalt und Richtigkeit.
(Stand: 06.04.2020, 16:00 Uhr)